Plauderei über Spielkarten
von Dieter Strehl
Geschäftsführer und Gesellschafter der Wiener Spielkartenfabrik Ferd. Piatnik & Söhne
Erschienen in: EPHEMERA. DIE GEBRAUCHSGRAFIK DER MAK-BIBLIOTHEK UND KUNSTBLÄTTERSAMMLUNG. MAK Studies 24. MAK - Österreichisches Museum für angewandte Kunst/Gegenwartskunst
Viele KünstlerInnen haben Spielkarten entworfen: Salvador Dalí, Arnold Schönberg, Sonia Delaunay, Christian Ludwig Attersee, Alfred Kubin, Karl Korab, Arik Brauer, Max Ernst, Anton Lehmden, Ditha Moser, Jean Dubuffet. Diese Auswahl ist ungeordnet und stellvertretend für eine große Anzahl weiterer Künstler.
Möglicherweise hat sie die Aufgabe fasziniert, einen Artikel zu gestalten, bei dem man kreativ stark eingeschränkt ist: Sollen die Karten verwendet werden, muss schließlich der Herz-König als solcher erkennbar sein.
Allen diesen Entwürfen ist jedoch gemeinsam, dass ihnen kein kommerzieller Erfolg beschieden war. KartenspielerInnen wollen und wollten sie nicht verwenden. Diese Feststellung soll nicht als negative Kritik verstanden werden, stand doch die Massenverbreitung dieser Werke wahrscheinlich gar nicht im Fokus der künstlerischen Arbeit.
Der Grund dafür lag vielmehr darin, dass auf wichtige Details für die Verwendung zu wenig geachtet wurde.
Spielkarten im Jugendstil von Ditha Moser
Schön sieht man das z. B. bei dem von Ditha Moser, der Gemahlin von Koloman Moser, entworfenen Jugendstil- oder Sezessions-Tarock. Ein prachtvolles Spiel, das aber zum Gebrauch ungeeignet ist: Die Figuren sind einander so ähnlich, dass man in der Hitze des Spiels leicht Könige mit Buben verwechseln kann, auch die Damen sind nicht leicht zu erkennen.
Schwerwiegender ist das Anbringen der römischen Zahlen der Tarocke in den falschen Ecken der Karten: der rechten oberen und linken unteren. Beim üblichen Auffächern in der Hand sind die Zeichen verdeckt, es ist nicht klar, welche Trümpfe man in der Hand hält.
Tarockspiel im Jugendstil von Ditha Moser
Die Kritik an Künstlerkarten lenkt aber die Aufmerksamkeit auf die Gestaltung „normaler“ Spielkarten und deren Qualität. In einem jahrhundertelangen Prozess haben sich in Europa spezifische Kartenbilder-Typen entwickelt. Wenn man sich Gedanken über die Ikonografie von Spielkarten macht, fällt auf: Die – in den meisten Fällen – anonymen Entwerfer, Stecher, Spielkartenmaler waren wirkliche Meister ihres Fachs.
Fast alle Standardbilder sind ungemein prägnant, der kleine zur Verfügung stehende Raum wird perfekt genützt, die Kolorierung ist – trotz der Verwendung von nur drei oder vier Buntfarben – ausgewogen und gleichmäßig, die Übergänge der Figuren bei den gedrehten (nicht gespiegelten, wie manchmal fälschlich gemeint wird) doppelfigurigen Bildern sind perfekt gemacht, die Gesichter sympathisch, freundlich.
Die Bilder sind so gelungen, dass sie den Spielenden gar nicht auffallen, obwohl sie sie stundenlang konzentriert betrachten.
Spielkarten gestaltet nach unveröffentlichten Originalgrafiken von Arnold Schönberg
Zahlreich sind die Versuche, diese Meisterwerke anonymer „Handwerker“ zu „modernisieren“. Obwohl im Offsetdruck hergestellt, ahmen die üblichen Bilder noch immer die alte, handkolorierte Stahlstichmanier nach und werden manchmal irrtümlich als veraltet angesehen. Das Resultat dieser Versuche ist regelmäßig ein Misserfolg: Die neuen Entwürfe werden von der Kartenspielgemeinde abgelehnt, man wünscht sich die „richtigen“ Bilder zurück.
Bekanntlich ändert die Massenherstellung nichts am Kunstcharakter, auch nicht dem der Spielkarten. So empfinden viele die traditionellen Kartenbilder trotz Millionenauflagen als echte Kunstwerke. KartenspielerInnen sind den Bildern, die sie liebgewonnen haben, treu; sie verbinden sie mit triumphal gewonnenen Spielen, lustigen Kartenabenden im Freundeskreis und vielen Stunden, in denen der Alltag vergessen werden konnte.